Aktueller denn je
Dieser Artikel ist meine Sicht auf die aktuellen Geschehnisse. Die Corona Kriese betrifft uns nun doch länger als gedacht. Vor ca. einem Jahr, um diese Zeit wurden die ersten Medienberichte über dieses neue Virus veröffentlicht. Aber kaum einem war klar, was noch kommen würde. Welches Ausmaß diese Pandemie annehmen würde, wurde den meisten erst einigen Monate später klar, als der erste Lockdown kam. Aber selbst da hatten die meisten noch Hoffnung, dass dieser Zustand bald vorbei sein würde. Die Tourimus- und Clubbranche sind eindeutig die größten Verlierer. Wobei in meinen Augen die Kulturszene das schwere Los gezogen hat!
Das Dilemma
Es ist nun seit einigen Wochen wieder soweit: Bars, Restaurants und viele mehr wurden nach kurzem Aufatmen wieder geschlossen. Die Kulturszene ist am Boden und keiner weiss, wo das enden soll. Schon beim ersten Lokdown im März ist innerhalb von wenigen Wochen vielen Betreibern und DJs die Luft ausgegangen, was finanzielle Mittel angeht. Man könnte sich jetzt streiten, dass einige nicht richtig gewirtschaftet haben. Jedoch wird jetzt allen klar, dass diese Diskusion überflüssig geworden ist. Denn seit Monaten sind alle Clubs und Discos offiziell geschlossen. Das ist nun fast ein dreiviertel Jahr her. Damals war jedoch die Hoffnung noch groß, dass es in einigen Wochen wieder ganz normal weiter gehen wird. Schließlich reichen auch zwei Wochen Quarantäne für eine Genesung! Aber weit gefehlt. Nur so halb warm durften Bars und Restaurants wieder aufmachen. Clubs und Discos blieben trotzdem geschlossen. Der Aufschrei war zwar laut, trotzdem immer noch viel zu leise! Denn die meisten haben sich auch hier gesagt: „Wir warten mal ab und hoffen.“ Da fingen viele Betreiber an, sich in Grauzonenbereiche zu begeben.
Legal oder doch nicht?
Es wurden Clubs mit Tischen, Stühlen und Bänken ausgestattet, denn eine Bar darf ja auch Musik laufen lassen. Wenn auch nur als "Hintergrund Beschallung" für Ambiente deklariert. Getanzt werden darf trotz allem immer noch nicht! Trotzdem greifen viele nach diesem Strohhalm, um (verständlicherweise) irgendwie wieder Einnahmen zu generieren. Schließlich müssen Miete und andere laufende Kosten gezahlt werden. Die meisten Angestellten konnte man schließlich einfach erstmal nach Hause schicken, um die Kosten soweit es geht zu reduzieren. DJs als erstes, denn die sind dann doch nicht so wichtig wie ein Baarkeeper, den man noch zur Ausgabe von Getränken braucht. Musik kann auch von einer Playliste abgespielt werden. Es herrscht schließlich sowieso Tanzverbot. Wer noch ein paar Euros übrig hat, kauft sich eine gute App, die auch noch die Übergänge automatisiert laufen lässt. Dass das ein einziger Teufelskreislauf wird, konnte noch keiner ahnen.
Keine Einnahmen führten dazu, dass keine Gagen und keine Mieten mehr gezahlt werden können. Die Gebäudebetreiber wiederum können ohne Mieten ihre Kosten nicht mehr Decken. Außerdem arbeiten viele Menschen nebenbei in der Gastro, um sich etwas zum bormalen Gehalt dazu zu verdienen. Das fällt nun auch weg! Wer diesen Nebenjob nicht nur braucht, um seinen Luxus finanzieren zu können, der bekommt nun noch mehr finanzielle Probleme. Viele sind auf die Nebenjobs angewiesen. Damit hat man schließlich ohne große Ausbildung schnell und einfach Geld verdienen können. Zudem werden Lieferketten unterbrochen, die als sicher galten. Viele heimische, aber auch größere Brauerien, Getränkehersteller, Fleischbetriebe usw... bleiben auf ihren Produkten sitzen. Diese wiederum mussten ihre Produktion zurückfahren!
Viele versuchten dann ihren Club auch als private Event-Location für geschlossene Gesellschaften (Hochzeiten, Feiern, Geburtstage) zu vermieten. Das hat anfangs noch ganz gut funktioniert, da sich Mitte des Jahres dann wieder 100 Personen in geschlossenen Räumen treffen durften. Das hat dann aber leider schnell Auswüchse angenommen, die wieder andere Probleme mit sich gebracht haben. Weil es dann Veranstaltungen gab, die nur ein vorgeschobenes Motto hatten, um irgendwie feiern zu können. Oktober/November 2020 wurden diese Beschränkung dann wieder verschärft und somit dürfen sich nur noch eine Handvoll Personen aus zwei Haushalten treffen!
Ganz Mutige versuchen sich sogar über solche Regelungen hinweg zu setzten und veranstalten geheime und illegale Partys. Fast wöchentlich bekommt man in den Medien mit, wie illegale Partys im Wald oder in leerstehenden Gebäuden aufgelöst werden. Private House Partys nehmen überhand und die Beschwerden bei der Polizei häufen sich. Auch Clubs, die sich als Bar "tarnten", bekommen Probleme. Einige bekannte Locations werden geschlossen. Videos von eskalierenden Partys, wo trotz Tischen, Stühlen und ausgeklügelten Hygiene Konzept alle tanzen, gehen viral. Natürlich zieht das Konsequenzen nach sich und die Clubbetreiber bekommen noch mehr Probleme. Gegen die Schließungen versuchen einige zu klagen, jedoch mit nur wenig Erfolg.
Aber warum ist das so schmerzhaft für alle? Dabei wollen sie ja alle nur ihre Welt "das Nachtleben" retten und zurück haben. Das, was ihnen so brutal genommen wurde! Denn was bleibt den meisten Menschen noch? Gerade junge Menschen, die sowieso oft relativ perspektivlos erscheinen und sich nur noch von Party-Wochenende zu Party-Wochenende hangeln, trifft es hart. Dieser Generation hat man eine komplette Lebensgrundlage genommen. Denn was soll man denn auch anderes machen, in unserem System, wo man als Ottonormalverbraucher und Dauerkonsumopfer nur noch zu funktionieren hat? Der ausgleichende Absturz, in dem man einfach Raum und Zeit eines tristen Lebens vergisst, ist nun deutlich schwerer zu erreichen. Also was bleibt noch? Netflix and Chill?
Alternativen?
Einigen Betreibern war das dann aber doch zu heikel und sie suchten nach Alternativen. Kreative Köpfe verwandeln Clubs in Ateliers und nutzen die ungenutzten Flächen als Ausstellungsräume. Andere Betreiber vermieten ihre Räume als Lager oder an Forschungseinrichtungen die Platz brauchten. Außenbereiche werden ausgedehnt und der Lieblingsclub von nebenan wird Plötzlich zum Lieblings Restaurant mit Freifläche. Einige gehen mit der Digitalisierung und Streamen ihre Musik Live auf diversen Plattformen, als Signalwirkung: "Hey, wir sind noch da!".
Aber selbst da wird die Luft immer dünner. Bekannte Netzwerke wie Facebook, Instagram, YouTube haben Algorithmen im Hintergrund laufen, die auf der Suche nach Urheberrechtsverletzungen sind. Das bedeutet: Streams oder Videos werden blockiert oder gelöscht sobald ein oder mehrere Lieder identifiziert sind, die urheberrechtlich stärker geschützt sind. Selbst Tricks wie superschnelles Mixen oder Songs nur in wenig bekannten Remix Versionen zu spielen und alles mit Effekten zu überlasten, damit der Algorithmus keine Chance mehr hat und ausgetrickst werden kann, funktionieren kaum noch. Die dahinterliegende KI ist schon sehr weit fortgeschritten. Man kann nur noch eigene Songs oder GEMA freie Lieder risikofrei spielen. Was im Techno und Electro Bereich eher möglich ist als im kommerziellen Party Bereich.
Egal wie kreativ man versucht gegen die drohende Insolvenz zu kämpfen, vergessen wir die eigentlichen "Seelen" der Clubs und Discos. Die eigentlichen Gäste, die jeden einzelnen Club, Abend für Abend mit Leben gefüllt haben und zu dem gemacht haben, was sie sind. Ein Ort, am den die Menschen sich fallen lassen können, Spass haben und sich auslassen können. Diese ganzen Personen haben nun ihr Ventil verloren. Sollen doch alle immer in unserem System funktionieren und Leistung bringen. Nun nimmt eben genau dieses System den Leuten die Clubs weg. Zu allem Übel stellen sich unsere Politiker auch noch hin und zeigen mit dem Finger auf die gesamte Szene und sagen (sinngemäß): "...ohne euch wäre das nicht passiert!"
Ich habe meine Meinung in einem der letzten Artikel schon mal angerissen als es um das Buch: "Im Leben Bleiben" von Paul van Dyk ging. Denn dieser spricht sich auch in aller Öffentlichkeit für den Erhalt der Szene aus. In einem Offenen Brief und einem Interview mit dem Spiegel versucht er die Regierung und Kritiker zum Umdenken zu bewegen. Solidarität ist effizienter als Abschottung! Genau wie er bin ich auch der Meinung, dass die gesamte Kulturszene für uns alle essentiell ist. Auch wenn die Politiker argumentieren: "... das sei natürlich alles nur solange, bis wir das Virus im Griff haben! ... " Wann wird das sein? Wie viele Clubs oder Bars haben so einen langen Atem? Die zusätzlich eingeführte Sperrstunde ist nicht förderlich und meiner persönlichen Meinung nach völlig unnötig! Denn illegale Veranstaltungen boomen mehr denn je. "Damit die Infektionszahlen runter gehen!" ... sind die Ausreden, die man in allen Medien hört und liest. Fakt ist doch, dass viele sich erst auf illegalen Partys infiziert haben und genau dem gibt man nun einen Nährboden zum weiter wuchern.
Die Politik schiebt die Verantwortung einfach von sich und beschuldigt die Szene. In Wirklichkeit geben die Politiker ihre einzige Möglichkeit, das Virus im Nachtleben zu kontrollieren ab. Diese wird regelrecht verschenkt! Anstatt zu begrenzen sollten Konzepte erarbeitet werden, wie man die Clubs geregelt öffnen lassen. Das würde illegale Veranstaltungen, die aus Verzweiflung heraus entstehen, präventiv unterbinden. Bei diesen Veranstaltungen geht es nicht mal darum, dass sich irgendein Veranstalter bereichert, sondern nur um das Gemeinschaftsgefühl! Dabei haben andere schon die Arbeit der Politik übernommen. Es gibt schon entwickelte Konzepte, die verschiedenste Ansätze verfolgen und oft ein guter Kompromiss zwischen Spass und Verantwortung sind.
Was ist machbar?
In Barcelona gab es Anfang Oktober ein spannendes Experiment. Es fand eine Party mit 1000 Gästen statt. Spanien hat die Krise auch hart getroffen und der Lockdown war um einiges härter als in Deutschland. Die Menschen durften nur raus, wenn sie zur Arbeit oder zum Einkaufen mussten. Dementsprechend liegt die Club Szene dort genauso brauch wie hier. Vielleicht sogar schlimmer. Trotzdem haben Veranstalter nach alternativen Möglichkeiten gesucht. Diese große Veranstaltung war ein erstes Experiment, ob Corona-Schnelltest eine Lösung sein könnten. Dieser Artikel beschreibt die Maßnahmen. Der Antigen-Schnelltest ist relativ neu und wird derzeit nur an Fachpersonal aus Arztpraxen oder Krankenhäusern verkauft. Ähnlich wie bei PCR-Tests werden dabei Abstriche an der hinteren Nasenwand entnommen. Leider habe ich bis jetzt keinen Nachreport dazu gefunden, ob dieses Veranstaltungskonzept gefruchtet hat. Ich konnte keine Hinweise auf Infektionen bei dieser Veranstaltung finden. Jedoch fand ich auch keine Hinweise für keine Infektionen. Weitere Experimente fanden aber auch in Deutschland statt. In Leipzig gab es ein Konzert mit 1400 Menschen und zwei Konzepten, die miteinander verglichen wurden, um bestehende Konzepte, wie z.B. Belüftungskonzepte zu verbessern. Die Ergebnisse waren jedoch relativ ernüchternd und es konnte nichts neues festgestellt werden. Hier der gesamte Bericht.
... und nun?
Fakt ist - viele Clubs werden diesen Winter nicht überleben. Staatliche Hilfen sind nur ein schwacher Trost für die, die sowieso schon tief in den Schulden stecken. Jeder Laden, der diese Krise überlebt, kann sich glücklich schätzen. Denn sobald einer der angepriesenen Impfstoffe nachweislich funktioniert wird es eine neue Disco Generation geben. Gerade die aktuelle junge Generation, die gemerkt hat, wie schnell einem sowas genommen werden kann, wird ab den ersten Öffnungstag exzessiv die post-Corona Zeit feiern. Die Szene wird sich wieder erholen. Sie ist einfach wie Unkraut - nein besser - wie der Kit zwischen den Fugen der Gesellschaft, den man einfach nicht wegbekommt. Wenn das normale Leben sich wieder eingefunden hat werden die freien Stellen sicher wieder neu besetzt. Vielleicht wird dadurch die gesamte Kulturszene am Ende sogar bunter und vielfältiger denn je!
Danke das du bis hierher durchgehalten hast. Wie siehst du dieses kontroverse Thema? Schreibe mir doch gerne Deine Meinung in die Kommentare. Der nächste _BLOG Beitrag erscheint am: .20.12.20
Haltet durch!
Dein Robert
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